Bitcoin wurde in der Vergangenheit oft als ein „Hedge“, also eine Absicherung gegen Inflation, bezeichnet. Doch hält diese Behauptung auch einer näheren Überprüfung stand?
Was ist Inflation überhaupt?
Inflation leitet sich vom lateinischen Wort „Inflatio“ ab und bedeutet so viel wie „sich aufblasen“. Im Kontext der Wirtschaft oder auch Geldpolitik meint man damit den Anstieg der Geldmenge oder auch das Ansteigen eines Preisniveaus. Wobei Letzteres die heutzutage am weitesten verbreitetste und gängige Definition von „Inflation“ ist.
Grundsätzlich wird die Inflation in der Bevölkerung als etwas Negatives wahrgenommen, weshalb in der Regel auch Interesse daran besteht, sich entsprechend davor zu schützen.
Nach Meinung der meisten Ökonomen allerdings ist leichte Inflation einer Währung einer deflationären Währung vorzuziehen. Man geht davon aus, dass ein leichter, stetiger Wertverlust sich stimulierend auf die Wirtschaft auswirkt. Doch nicht alle Ökonomen vertreten diese Theorie.
Bitcoin-Maximalismus und die österreichische Schule
In Bitcoin wird vor allem seitens sogenannter „Bitcoin-Maximalisten“ viel Hoffnung in die Funktion eines Inflationsschutzes gelegt. Um das zu verstehen, muss man zu den Ursprüngen der Kryptowährung zurückgehen.
Es gibt nämlich einige Hinweise darauf, dass Satoshi Nakamoto (Person oder Gruppe, welche als Erfinder von Bitcoin gilt) ein großer Anhänger der österreichischen Schule war (Quelle: EZB-Studie „Virtual Currency Schemes“, Seite 22).
Die österreichische Schule und Bitcoin teilen sich die gleichen Kernwerte wie die Ablehnung von staatlichen Eingriffen und finanzielle Souverenität
Im Gegensatz zu den meisten anderen ökonomischen Schulen, wird bei der österreichischen Schule größtenteils die Meinung vertreten, dass Inflation zu mehr negativen Effekten als Deflation führe. Auch wird davon ausgegangen, dass die Ausweitung der Geldmenge ein Haupttreiber für Rezessionen ist.
Die Weltwirtschaftskrise wiederum, beginnend im Jahr 2007, wird dazu als eine der primären Triebfedern, Bitcoin zu entwickeln, kolportiert.
Eine leichte Inflation wird in den meisten ökonomischen Theorien als Anreiz für Ausgaben und damit als einer der Treiber für den Wirtschaftsmotor gesehen. Manche Vertreter der österreichischen Schule und viele Bitcoin-Maximalisten sehen diese ständige Geldentwertung jedoch kritisch, da Sparen damit in gewisser Weise bestraft wird und nur durch Risiko abgefangen werden kann.
Es darf darüber hinaus auch angezweifelt werden, ob tatsächlich Inflation und nicht eher andere Anreize wie beispielsweise Status und andere Bedürfnisse dafür sorgen, dass Menschen Geld ausgeben. Die Sorge vor einem deflationären Geldsystem könnte sich in der Praxis also als unberechtigt erweisen.
In der Bitcoin-Szene, vor allem in dem Teil, der ideologisch stark mit den angesprochenen wirtschaftlichen Theorien und der gesamten Entstehungsgeschichte verbunden ist, besteht also ein großes Interesse an Bitcoin als Inflationsschutz.
Dabei wird die Inflation meistens mit der Geldmengenausweitung seitens der Zentralbanken wie zum Beispiel der EZB in der Europäischen Union (EU) oder der FED in den USA gleichgesetzt. Jedoch handelt es sich dabei um eine grobe Vereinfachung, welche sich zwar durchaus als im Alltag bemerkbare Inflation durch steigende Preise bemerkbar machen kann, dies jedoch nicht zwingend und auch nicht immer der Grund dafür ist.
In der Praxis kommt es einerseits darauf an, welche Geldmenge erhöht worden ist (M0, M1, M2) und wie sich die Wirtschaft anschließend entwickelt. Des Weiteren können Preise auch aufgrund anderer Faktoren, wie zum Beispiel Verknappung, steigen. Dies macht sich besonders seit dem Russland-Ukrainekonflikt bemerkbar, wodurch bestimmte Rohstoffe wie Weizen oder Gas einer Verknappung unterliegen. Das Steigen von Preisen also automatisch mit der Geldmengenausweitung gleichzusetzen, wäre so nicht richtig. Trotzdem kann es aber natürlich durch eine fehlgelaufene Geldpolitik auch einen direkten Einfluss auf die Preise geben.
Kann Bitcoin vor Inflation schützen?
Zur Frage, ob Bitcoin vor Inflation schützen kann, gibt es zwei Antworten: Theoretisch wäre dies möglich, wenn sich der Markt darauf geeinigt hätte, Bitcoin in dieser Kategorie zu sehen. Bei Gold beispielsweise hat sich der Markt über die lange Zeit hinweg auf diese Einstufung geeinigt. Allerdings stellt sich weniger die Frage, ob Bitcoin es kann, sondern ob Bitcoin es tut. Und hier muss man sagen: Aktuell schützt Bitcoin nicht vor Inflation. Wobei es hier natürlich zwei Betrachtungen geben kann: einerseits den hohen Preisanstieg von Bitcoin, andererseits die direkte Reaktion des Bitcoin-Preises auf das Steigen des allgemeinen Preisniveaus.
Wenn man sich den hohen Preisanstieg von mehreren Millionen Prozent für 1 Bitcoin seit Entstehung ansieht, könnte man argumentieren, dass die jährliche, durchschnittliche Rendite, weit höher als die jährliche Inflation war. Jedoch würde mit dieser Argumentation jegliches Asset darunterfallen, welches mehr einbringt, als die Inflation an Kaufkraft in einem bestimmten Zeitraum kostet.
Interessanter und auch sehr viel genauer ist daher der unmittelbare Zusammenhang von Inflation einerseits und dem Preisanstieg von Bitcoin andererseits. Auch wenn es dazu punktuelle Anzeichen in der Vergangenheit gab, welche Hoffnungen geschürt haben, so haben die hohen Preisanstiege für Waren und Dienstleistungen im Jahr 2022 und der gleichzeitige Preisabfall von Bitcoin gezeigt, dass der Vermögenswert mehr mit traditionellen Assets wie Aktien korreliert als beispielsweise mit Gold.
Allerdings ist der Markt noch jung. Man darf nicht übersehen, dass Gold Jahrtausende altes Vertrauen genießt, wohingegen Bitcoin noch in den Kinderschuhen steckt. Es liegt also zumindest im Bereich des Möglichen, dass sich Bitcoin eines Tages mehr an Wertspeichern wie Gold orientieren wird. Aktuell ist dies jedoch nicht der Fall.
Ist Bitcoin selbst inflationär oder deflationär?
Bitcoin wird als deflationäre Währung bezeichnet, was auch grundsätzlich richtig ist. Im Code von Bitcoin ist die Maximalmenge von 21 Millionen Coins hinterlegt. 1 Bitcoin kann dabei nochmals durch 100 Millionen sogenannter „Satoshis“ (vergleichbar mit Cents wie beim Euro) unterteilt werden.
Das bedeutet allerdings nicht, dass auch 21 Millionen Coins verfügbar sind. Alleine die Wallet von Satoshi Nakamoto enthält circa 1 Million Bitcoins, was etwa 5% der Gesamtmenge ist. Da es keine Bewegungen auf der Wallet gab, geht man davon aus, dass diese Coins verloren sind (eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht). Noch dazu kommt, dass weitere, mindesten zwei bis drei Millionen Coins, als unwiederherstellbar gelten, da zu diesen der sogenannte Private Key verloren wurde. Die Coins sind zwar weiterhin auf der Blockchain vorhanden, jedoch hat man aufgrund der fehlenden Schlüssel keinen Zugriff mehr darauf. Insgesamt geht man aktuell von 2,8 bis 3,8 verlorenen Bitcoins aus. Diese Zahl wird in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit immer weiter ansteigen, da es immer wieder passieren wird, dass Menschen ihren Private Key verlieren.
Auch wenn Bitcoin damit als deflationär gilt, gibt es zwei Dinge, die man in dem Bezug beachten sollte:
- Bis circa ins Jahr 2140 ist Bitcoin noch inflationär, da als Belohnung (Rewards) für die Miner bis zur Gesamtmenge von 21 Millionen Stück Bitcoins für jeden gefundenen Block ausgeschüttet werden. Diese Belohnung halbiert sich im Zuge eines Halvings alle vier Jahre.
- Auch wenn dies sehr unwahrscheinlich ist, könnte sich das Netzwerk darauf einigen, dass die Gesamtmenge erhöht wird. Zwar ist davon nicht auszugehen, gänzlich unmöglich ist es allerdings nicht.
Fazit
Wie wir festgestellt haben, verhält sich Bitcoin aktuell nicht wie ein Inflationsschutz. Zumindest nicht in direkter Weise. Die Betonung liegt hier allerdings auf dem Wort „Aktuell“. Auch wenn Bitcoin bereits über zehn Jahre alt ist, so ist das in der Welt der Finanzkrise eine sehr kurze Zeitspanne.
Auch scheint sich der Markt noch nicht so recht einig zu sein, was denn Bitcoin nun eigentlich ist. Ist es eine Währung? Ist es ein Wertspeicher, ähnlich zu Gold? Ist es schlicht ein digitaler Vermögenswert?
Der primäre Nutzen von Bitcoin wird innerhalb der Bitcoin-Szene als zensurresistentes, nicht-inflationäres Geld gesehen, welches durch Mathematik und Dezentralisierung anstatt durch Vertrauen in eine zentrale Institution wie der Zentralbank, geschützt ist.
Diese Fragen bedeuten, dass es zwar unsicher ist, welchen Weg Bitcoin in den Augen der Anleger einschlagen wird, was aber gleichzeitig auch bedeutet, dass Bitcoin eines Tages als Inflationsschutz fungieren könnten