
Ronald studierte Volkswirtschaftslehre in Deggendorf und Hong Kong. Aktuell absolviert er sein Double Degree Master Program in „Strategic and International Management“ & „International Business“ und arbeitet als Werkstudent im Business Development bei BSDEX.
Die Europäische Union legt Kryptowerten, Emittenten von Kryptowerten und Anbieter von Krypto-Dienstleistungen (engl. Virtual Asset Service Provider (VASP)) erstmals einen Regelungsrahmen auf. Der Ratsvorsitz und das Europäische Parlament haben Ende Juni 2022 eine vorläufige Einigung über den Vorschlag zu Märkten für Kryptowerte (MiCA) erzielt, der sich auf Emittenten ungedeckter Krypto-Assets und Stablecoins sowie auf die Handelsplätze und die Wallets, in denen Kryptowerte hinterlegt werden, erstreckt.
Hintergrund
Die Europäische Kommission hat den sogenannten MiCA-Vorschlag am 24. September 2020 vorgelegt. MiCA ist die englische Abkürzung für Markets in Crypto Assets. Er ist Bestandteil eines komplexen Pakets zur Digitalisierung des Finanzbereichs, mit dem ein europäischer Ansatz zur Förderung der technologischen Entwicklung und zur Gewährleistung von Finanzstabilität und Verbraucherschutz ausgearbeitet werden soll. Neben dem MiCA-Vorschlag umfasst das Papier eine Strategie für das digitale Finanzsystem, einen Rechtsakt zur digitalen Betriebsstabilität (DORA), der auch Krypto-Dienstleister einbezieht, und einen Vorschlag für ein Pilotprojekt für Marktinfrastrukturen auf der Grundlage der Distributed Ledger Technology (DLT).
Das Gesetzespaket zielt darauf ab, eine Lücke in der bestehenden EU-Gesetzgebung zu schließen, um einerseits zu garantieren, dass der derzeitige Regulierungsrahmen die Nutzung neuer digitaler Finanzinstrumente nicht behindert und andererseits, dass diese neuen Technologien und Produkte in den Anwendungsbereich der Finanzmarktregulierung und des operationellen Risikomanagements für in der EU tätige Unternehmen fallen. Das Gesetzespaket soll folglich die Innovation und die Einführung neuer Finanztechnologien unterstützen und gleichzeitig einen angemessenen Verbraucher- und Anlegerschutz sicherstellen.
Nach fast zweijähriger Arbeit ist nun eine Einigung zwischen der Europäischen Kommission, den zuständigen Gesetzgebern und den einzelnen Mitgliedstaaten erzielt worden. Stand Juli 2022 steht noch die Zustimmung des Rates und des Europäischen Parlaments aus, bevor das formale Annahmeverfahren eingeleitet werden kann. Das Inkrafttreten der Verordnung über Märkte für Krypto-Assets wurde ursprünglich für Mitte 2023 erwartet. Es wird sich jedoch wahrscheinlich bis ins Jahr 2024 hinein verzögern, da eine 18-monatige Frist vorgesehen ist, um die Annahme von Maßnahmen der Stufe 2 vor der Anwendung der MiCA zu ermöglichen.
Doch was sind die wichtigsten Punkte des Pakets? Was bedeutet die jetzige Entscheidung und allgemeine Regulierung seitens der EU für Kryptounternehmen -nutzer und -anleger auf dem Kontinent und was sind die Chancen und Risiken?
Über MiCA
Der neue Rechtsrahmen, über den seit seiner Einführung im Jahr 2020 debattiert wird, umfasst unter anderem die Bereiche Transparenz, Offenlegung oder Überwachung von Transaktionen durch Dienstleistungsanbieter. Er zielt primär darauf ab, einen einheitlichen Ansatz in allen 27 Mitgliedstaaten zu schaffen. Aus diesem Grund wird MiCA in der gesamten Europäischen Union gelten, ohne dass es weiterer nationaler Umsetzungsgesetze bedarf. Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Verbraucherschutz und soll einen effektiven und harmonisierten Zugang zu den innovativen Krypto-Asset-Märkten im gesamten Binnenmarkt gewährleisten.
Mit der MiCA-Verordnung werden grundsätzlich vier wesentliche Ziele verfolgt
- Gewährleistung von Rechtssicherheit durch die Schaffung eines soliden Rechtsrahmens für die in ihren Anwendungsbereich fallenden Krypto-Assets, die nicht unter die bestehenden Rechtsvorschriften für Finanzdienstleistungen fallen.
- Unterstützung von Innovation und fairem Wettbewerb, um die Entwicklung von Krypto-Assets durch die Schaffung eines sicheren und angemessenen Rahmens zu fördern.
- Schutz von Verbrauchern, Anlegern und Marktintegrität in Anbetracht der mit Krypto-Assets verbundenen Risiken.
- Gewährleistung der Finanzstabilität durch die Aufnahme von Schutzmaßnahmen, um potenziellen Risiken für die Finanzstabilität zu begegnen.
Anwendungsbereich und Verordnungen der MiCA
MiCA soll zahlreichen Akteuren auf dem Kryptomarkt in Europa neue Vorschriften auferlegen. Die meisten Krypto-Vermögenswerte, die nicht bereits durch andere Vorschriften geregelt wurden, wie z. B. Security-Token und digitale Währungen von Zentralbanken (CBDCs), fallen in den Anwendungsbereich der MiCA. Dazu zählen unter anderem Utility-Token, E-Geld-Token und Vermögenswert-bezogene Token. Aber auch Emittenten von Krypto-Vermögenswerten, die in den Anwendungsbereich von MiCA fallen, d.h. Krypto-Vermögenswerte anbieten, sind von verschiedenen Verpflichtungen betroffen. Ebenso müssen Anbieter von Krypto-Vermögensdienstleistungen (VASPs) einige neue Kriterien erfüllen. Grundsätzlich hängen die anzuwendenden Regelungen dabei von mehreren Faktoren ab.
Über die wichtigsten Punkte des Pakets folgt anbei ein profunder Überblick.
Die wichtigsten Punkte des Pakets
- Sowohl die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) als auch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) sind befugt, die Geschäftstätigkeit von Krypto-Dienstleistern sowie die Vermarktung, die Ausgabe und den Verkauf von Kryptowährungen einzuschränken oder zu verbieten, wenn die Marktintegrität und die Finanzstabilität gefährdet sind. MiCA wird der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde auch die Befugnis geben, Krypto-Plattformen zu verbieten oder einzuschränken, wenn sie der Meinung ist, dass diese die Anleger im Sinne des Anlegerschutzes nicht angemessen behandeln.
- Neben Börsen sind vor allem Emittenten von Stablecoins betroffen, die in der Regel an bestehende Assets wie etwa den US-Dollar gekoppelt sind. Insbesondere für Stablecoins gelten dabei strengere Regeln. Grundsätzlich müssen die Emittenten von Stablecoins über ausreichende Rücklagen verfügen, um die Forderungen ihrer Nutzer jederzeit vollständig decken und auszahlen zu können. Des Weiteren müssen sie über vollständig gesicherte Rücklagen für den Fall einer Insolvenz verfügen. Nach den neuen Regeln müssen demnach Stablecoins wie Tether (USDT) oder USDC ausreichende Reserven vorhalten, um im Falle von Massenabhebungen Rücknahmeanträge erfüllen zu können. Stablecoins, die zu groß respektive in manchen Augen zu systemrelevant erscheinen, sollen zudem eine Transaktionsobergrenze von 200 Millionen Euro pro Tag erhalten. Dieser Vorschlag erscheint aber angesichts des derzeitigen Milliardenvolumens der Stablecoins geradezu abwegig.
- Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde spielt nun auch eine wichtige Rolle bei der Koordinierung der Aufsicht über die größten Anbieter von virtuellen Vermögenswerten (engl. Virtual Asset Service Provider (VASP))
- Außerdem befasst sich MiCA verstärkt mit Umweltfragen im Zusammenhang mit Kryptowährungen, wobei Unternehmen gezwungen werden können, ihren Energieverbrauch sowie die Auswirkungen digitaler Vermögenswerte auf die Umwelt offenzulegen. Die ESMA ist auch beauftragt, eine Methodik und Nachhaltigkeitsindikatoren zu entwickeln, um die Klimaauswirkungen der Kryptoindustrie zu messen und die verschiedenen Konsensverfahren beim Mining von Kryptowährungen nach ihrem Energieverbrauch und ihren Anreizsystemen zu bewerten.
- Durch MiCA benötigen Anbieter von Krypto-Dienstleistungen eine Zulassung, um in der EU tätig zu werden. Die Registrierung von Anbietern aus Drittländern, die zuvor ohne Genehmigung in der EU tätig waren, wird von der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde auf der Grundlage von Informationen vorgenommen, die bei den zuständigen Behörden eingereicht wurden oder von den Aufsichtsbehörden in Drittländern angefordert werden können, andernfalls wird die ESMA diese Daten selbst erheben. Die zuständigen Behörden werden mit weitreichenden Befugnissen über die registrierten Anbieter ausgestattet. Die Zulassung ist von den nationalen Behörden innerhalb von drei Monaten auszustellen. In Bezug auf die größten Anbieter von Krypto-Dienstleistungen werden die nationalen Behörden der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde regelmäßig einschlägige Informationen übermitteln.
- Neu in dem Paket ist auch, dass Virtual Asset Service Provider strenge Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche einhalten müssen.
- Europäische VASPs müssen ihren Sitz in der EU haben und ihre Geschäftsleitung muss größtenteils in der EU angesiedelt sein, d.h. es ist zwingend erforderlich, dass es mindestens einen Geschäftsführer und ein Büro in dem Mitgliedsstaat gibt, in dem die Lizenz beantragt wird. Darüber hinaus sollten die Geschäftsführer und alle mit der Vermögensverwaltung betrauten Personen gründlich überprüft werden.
- Kryptobörsen haften für Schäden und Verluste, die den Nutzern durch vermeidbare Hackerangriffe oder Betriebsfehler entstehen. In Bezug auf Kryptowährungen müssen Handelsplattformen außerdem detaillierte Projektbeschreibungen bereitstellen und haften für falsche oder irreführende Informationen.
- VASPs müssen die Gelder ihrer Kunden getrennt und isoliert halten, damit die Krypto-Vermögenswerte im Falle einer Insolvenz nicht verloren gehen.
- Anbieter von Krypto-Dienstleistungen müssen Anleger klar und umfassend vor den Risiken von Investitionen in Kryptowährungen und damit verbundene Finanzprodukte warnen und die Offenlegungsvorschriften zur Verhinderung von Insiderhandel einhalten. MiCA ergänzt die bestehenden AML-Vorschriften und zielt darauf ab, die Finanzstabilität und den Anlegerschutz in Europa zu verbessern.
- Insiderhandel und andere Marktmanipulationen sind streng verboten.
- Zudem soll die Anonymität bei bestimmten Krypto-Transaktionen verringert werden. Insbesondere Überweisungen zwischen Börsen und sogenannten „ungehosteten Wallets“ im Besitz von Privatpersonen müssen gemeldet werden. Ein strittiges Thema für Krypto-Enthusiasten, die aus Gründen der Privatsphäre häufig mit digitalen Währungen handeln. Anonyme Zahlungen werden damit faktisch verboten.
Not fungible Token (NFTs), d. h. digitale Vermögenswerte, die reale Objekte wie Kunst, Musik und Videos abbilden, sind bisher vom Anwendungsbereich der MiCA ausgeschlossen, es sei denn, sie fallen unter eine der bestehenden Kategorien von Krypto-Vermögenswerten. Stand Juli 2022 soll die Europäische Kommission innerhalb von 18 Monaten auch eine umfassende Bewertung und gegebenenfalls einen sachdienlichen und verhältnismäßigen horizontalen Gesetzgebungsvorschlag zur Regulierung von NFTs und zur Bewältigung der entstehenden Risiken eines solchen neuen Marktes ausarbeiten.
Effekte über die EU hinaus
Insgesamt ist die MiCA ein erster Anlauf zur Schaffung einer umfassenden Regulierung für digitale Vermögenswerte in der EU. Während einige der strengeren Richtlinien die Kryptounternehmen verunsichert haben, sehen viele Brancheninsider den Schritt als positiv an. Sie glauben, dass Europa eine Vorreiterrolle bei der Regulierung von Kryptowährungen einnehmen könnte und für die dringend erforderliche Sicherheit und Transparenz im Sektor sorgt. Seine Einführung auf EU-Ebene würde die USA und das Vereinigte Königreich unter Druck setzen, nachzuziehen. Somit haben die EU-Datenschutzvorschriften den Standard für ähnliche Gesetze in anderen Teilen der Welt gesetzt.
Auswirkungen auf die Branche
Grundsätzlich soll MiCA die erwartete Rechtssicherheit bieten und in der Europäischen Union florierende Innovationen ermöglichen. Die Entwicklung der MiCA-Initiative wird sich auf die Fähigkeit der Marktteilnehmer auswirken, ihr Geschäft durch die Entwicklung einer Krypto-Asset-Strategie zu diversifizieren. Die Verordnungen sollen einen harmonisierten Rechtsrahmen mit einem starken Schutz für bisher unregulierte Krypto-Assets sowie für die in diesem Geschäft tätigen Dienstleister und letztlich für die Verbraucher schaffen.
Dennoch sollte MiCA nicht als eigenständige Maßnahme betrachtet werden, denn die Strategie der Europäischen Kommission für das digitale Finanzwesen stützt sich neben MiCA auch auf die DLT-Pilotregelung, den Digital Operational Resilience Act (DORA) oder Transfer of Funds Regulation (ToFR), was eine übergreifende Reichweite erkennen lässt.
Eindrücke und Einschätzung
Aufgrund der jüngeren Ereignisse in diesem Sektor, der durch rasche Veränderungen und enormer Volatilität gekennzeichnet ist, wurden wiederholt drastische Forderungen nach einer EU-weiten Regulierung laut. Insbesondere die Vorfälle auf den Stablecoins-Märkten (Luna) haben wieder einmal deutlich gemacht, welchen Risiken die Anleger ohne angemessene Regulierung ausgesetzt sind und welche Ausstrahlungseffekte dies auf andere Krypto-Assets haben kann. MiCA soll für mehr Klarheit in der Europäischen Union sorgen. Da einige Mitgliedsstaaten bereits über nationale Gesetze für Krypto-Assets verfügen, während es auf EU-Ebene bisher keinen spezifischen Rechtsrahmen dafür gab, schließt MiCA diese Lücke. Die Vorschriften sollen Anleger besser schützen und den Missbrauch von Krypto-Vermögenswerten verhindern und gleichzeitig innovationsfreundlich sein, damit die EU in dieser Hinsicht nicht an Attraktivität einbüßt. Die richtungsweisende Vorschrift soll dem in manchen Augen unregulierten Feld der Kryptowährungen ein Ende setzen und die Rolle der EU als Standardsetzer in digitalen Fragen festigen. Derzeit haben die Verbraucher nur sehr begrenzte Rechte auf Schutz oder Entschädigung, insbesondere wenn Transaktionen außerhalb der EU stattfinden. Mit den neuen Vorschriften sollen die bisherigen Diskrepanzen, die durch die oben genannten Entscheidungen entstanden sind, verringert und langfristig vollends ausgeräumt werden.
Fazit
Ohne Zweifel wird MiCA zu mittel- und langfristigen Veränderung im europäischen Kryptoraum führen. Insbesondere die Rechtssicherheit für Unternehmen und der Schutz der Anleger ist ein notwendiges Kriterium, um den Einzug und Akzeptanz des Sektors in der Mitte der europäischen Gesellschaft weiter voranzutreiben und nachhaltig zu untermauern. Selbstredend gibt es einerseits kritische Stimmen, denen die Beschlüsse nicht weit genug gehen, da beispielswiese NFTs von MiCA bisher ausgenommen sind, aber auch Sorgen, dass manche Regelungen zu hohen Hürden für bestimmte Marktteilnehmer, insbesondere für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen (VASPs), darstellen. Grundsätzlich besteht auch die Sorge, dass mit MiCA lediglich ein erster Schritt einer anhaltenden Regulierung der Krypto-Branche gemacht wurde, dies den Sektor zunehmend uninteressant und einschränkend macht. Letztendlich wird es ohnehin noch bis voraussichtlich dem Jahr 2024 dauern, bis die Verordnung in Kraft tritt. De facto werden die nächsten Monate und Jahre zeigen, welche Auswirkungen auf die Märkte und generellen Vor- und Nachteile in der Praxis MiCA mit sich bringt und welche weiteren Einschnitte seitens der Fiskalseite zu erwarten sind.