Bargeld als Zahlungsmittel in Deutschland verliert besonders bei jüngeren Menschen immer weiter an Bedeutung. Warum sprechen wir also nicht vom digitalen Euro, wenn wir per Banküberweisung oder PayPal Geld an jemanden schicken? Es gibt einen digitalen Euro doch schon längst – oder?

Digitales Geld heute und in der Zukunft

Das Geld, mit dem wir heute bezahlen, hat, außer es handelt sich um Bargeld, oft bereits eine digitale Komponente: Der Prozess, Geld von A nach B zu verschicken, geschieht durch das Anpassen der Bilanzen der Banken, bei denen A und B Kunden sind. Wenn A an B Geld schickt, erhöht sich bei B’s Bank die Bilanzsumme, um den zu erhaltenen Geldbetrag. Dieser Betrag wird B’s Konto gutgeschrieben. Bei A’s Bank verkürzt sich die Bilanzsumme um den geschickten Betrag. Dieser Betrag wird von A’s Konto abgebucht. Im Hintergrund werden die jeweiligen Konten der Geschäftsbanken, die sie bei der Zentralbank haben, auch entsprechend aktualisiert. Korrekterweise wird hier jedoch nicht tatsächlich Geld verschickt. Es werden Bilanzen basierend auf Zahlungsbefehlen von Kundinnen angepasst. Unser derzeitiges Geldsystem basiert auf einer sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen der Zentralbank und den Geschäftsbanken. Beide erzeugen verschiedene Arten von Geld, die für unterschiedliche Zwecke verwendet werden. Der gesamte Prozess ist digital, das Geld selbst ist es noch nicht. Wenn von Seiten der Europäischen Zentralbank (EZB) vom digitalen Euro gesprochen wird, ist die Zukunftsvision des Euros gemeint. Bei diesem wird tatsächlich Geld verschickt, der Euro selbst ist digital und nicht bloß der Prozess des Geldschickens, wie es aktuell der Fall ist. 

Im Englischen gibt es hierfür differenziertere Worte als im Deutschen, um den Unterschied klar zu machen: “Digitization” und “Digitalization”. Digitization meint den Prozess der Umwandlung von Informationen von einem physischen in ein digitales Format (z.B. durch Tokenisierung). Digitalization meint den Einsatz von digitalen Technologien zur Veränderung eines Geschäftsmodells oder -prozessen. Demnach fehlt also ein digitized Euro, der nicht nur in isolierten Datenbanken existiert, die abgeglichen werden müssen, sondern der in digitaler Form existiert und direkt von Sender zu Empfänger (peer-to-peer) übertragen werden kann. Aktuell ist eine peer-to-peer Transaktion nur mit physischem Bargeld möglich. Hier weiß kein Dritter davon, von wem das Bargeld kommt und es braucht keine dritte Instanz, um die Transaktion abzuwickeln und zu genehmigen.

Der digitale Zentralbankeuro der Europäischen Zentralbank

Eine Barzahlung unterscheidet sich auch darüber hinaus von elektronischen Zahlungen, die es heute schon gibt: Bei der Bargeldzahlungsform wird Zentralbankgeld eingesetzt, bei elektronischen Zahlungen privates Geld der Geschäftsbanken. Bargeld ist aktuell die einzige Möglichkeit für Verbraucher, Zentralbankgeld zu nutzen. Geschäftsbankgeld entspricht letztlich dem Geld, das auf Girokonten von Bürgern und Unternehmen gehalten wird und das für den digitalen Zahlungsverkehr zwischen Bankkonten verwendet wird. Geschäftsbanken haben Konten bei der jeweiligen Zentralbank eines Landes oder einer Währungsunion. Geschäftsbankengeld ist von Zentralbankgeld gedeckt, Zentralbankgeld muss nicht gedeckt werden, da die Zentralbank die Bank aller Banken in der Eurozone ist. Das macht Zentralbankgeld risikoärmer und sicherer als Geschäftsbankengeld. Das digitale Geld, was wir aktuell schon per Online Banking, ApplePay und PayPal verschicken, zählt auch zu privatem Geld, da es von privaten Geldinstituten ausgegeben wird. Es ist also risikobehafteter als wenn die EZB digitales Geld herausgeben würde, was Privatpersonen nutzen können. Mit einem digitalen Euro würden also die Vorteile von Zentralbankgeld mit dem Zahlungsverhalten der Bürger, was immer mehr in Richtung bargeldlosem Bezahlen geht, in der Eurozone vereint werden. Dieser digitale Euro in spe der EZB ist eine sogenannte Central Bank Digital Currency (CBDC), die nur von der Zentralbank eines Landes ausgegeben werden kann. Im Zahlungsprozess selbst würde der Bürger den Unterschied zu Zahlungen mit ApplePay oder PayPal wohl nur merken, falls die EZB eine separate App auf den Markt bringt und ein extra Zahlungsterminal in Läden nötig wäre, um die CBDC zu verwenden. Aktuell ist die EZB bei dem Projekt der potentiellen Euro CBDC in der Forschungsphase und wird Mitte 2023 darüber entscheiden, ob das Projekt überhaupt verwirklicht wird. Sollte die Entscheidung positiv ausfallen, so wird ab Herbst 2023 mit der Entwicklung der Euro CBDC gestartet, sodass eine Euro CBDC ab 2026 erwartbar ist.

Euro Stablecoins

Die Euro CBDC der EZB ist bei weitem nicht die einzige Form eines digitalen Euro. Es gibt eine Form des digitalen Euros, die man auch bereits nutzen kann: Euro Stablecoins (teilweise allerdings nur außerhalb der EU). Im Allgemeinen werden Stablecoins als privat ausgegebene Token definiert, in der Regel auf einem Distributed-Ledger, die sich auf den Preis einer von einer Zentralbank ausgegebenen Währung beziehen. Es gibt viele Varianten von Stablecoin Besicherungsmechanismen mit verschiedenen Levels der Dezentralisierung. Im Falle von digitalen Euros handelt es sich meist um mindestens 100%-ig Fiat-besicherte Stablecoins, die durch die herausgebende Institution hoch zentralisiert sind. Fiat-besicherte Stablecoins sind Stablecoins, die durch einen entsprechenden Betrag an Fiat-Währung besichert sind. Jeder Fiat-besicherte Stablecoin verfügt über tatsächliche Währung auf einem Bankkonto, das die Anzahl der ausgegebenen Stablecoins deckt. Stablecoins können gegen die zugehörige Fiat-Währung eingelöst werden (hier dem Euro), und die entsprechenden Mengen an Stablecoins werden vernichtet. Bislang gibt es keinen Euro Stablecoin, der im Vergleich zur US-Dollar Stablecoin Dominanz im Stablecoinmarkt eine signifikante Rolle spielt. Gründe hierfür gibt es einige: die negativen Zinssätze der EZB, die 2022 das erste Mal seit 10 Jahren wieder im leicht positiven Bereich liegen, machten die Ausgabe eines Fiat-backed Euro Stablecoin für Unternehmen lange unrentabel. Verkürzt gesagt zwang der negative Zinssatz Stablecoin Herausgeber dazu einen Verlust für jeden emittierten Stablecoin in Höhe des Negativzins einzufahren, oder die Mehrkosten an die Nutzer weiterzugeben, was bei einer 1:1 gekoppelten Währung kein gesundes Geschäftsmodell darstellt. Die in 2024 in der EU in Kraft tretende Markets in Crypto Assets Regulation (MiCA) wird im internationalen Vergleich hohe Markteintrittshindernisse und Auflagen für Stablecoinemmittenten verordnen. Die Stablecoin Regulierung der EU erstickt die Etablierung eines Markt dominanten Euro Stablecoins damit im Kern.

Tokenisierte Einlagen und E-Geld Token sind neben Euro CBDC und Stablecoins nur zwei Beispiele für eine weitere Form eines digitalen Euros. CBDCs und Stablecoins sind jedoch bei Weitem die beiden Formen, die für Privatpersonen und Unternehmen aktuell am wichtigsten sind und die meiste Aufmerksamkeit bekommen – in der Praxis und in der Literatur. Es ist zu erwarten, dass auch Randerscheinungen wie Tokenisierte Einlagen und E-Geld Token bald mehr Wichtigkeit zugeschrieben werden.

Digitaler Euro, Blockchain & Kryptowährungen

Die Ukraine, Nigeria, China und Buthan, um nur einige Beispiele zu nennen, haben sich als Datenbankstruktur für ihre CBDC für private Blockchain Strukturen entschieden. Eine CBDC muss nicht grundsätzlich auf einer Blockchain abgebildet werden. Grundsätzlich gilt, dass Blockchain-basierte CBDCs die innovativen Anwendungsfälle und Geschäftsmodelle mit programmierbarem Geld ermöglichen (z.B. machine-to-machine payments, micropayments, pay-per-use Geschäftsmodelle, zweckgebundenes Geld, was man ähnlich wie einen Gutschein nur für bestimmte Dinge und einen definierten Zeitraum ausgegeben kann). Nicht-Blockchain-basierte CBDCs sind in diesen Funktionalitäten eingeschränkter. Der Einsatz von Blockchain als Lösung für CBDCs bedeutet im Umkehrschluss auch nicht unbedingt dezentralisierte Organisation von Geld. Ausnahmslos alle CBDC Projekte, die stand Q1 in 2023 Blockchain verwenden, setzen auf eine permissoned Blockchain, bei der verschiedene autorisierte Institutionen, wie etwa Geschäftsbanken und andere Geldinstitute, die Validierung als Teilnehmer des geschlossenen Netzwerks durchführen im Auftrag der Zentralbank. Auch innerhalb dieser selektiven Dezentralisierung gibt es Nuancen: der Fall, dass lediglich die Zentralbank eines Landes einziger Validator im Blockchain Netzwerk ist, ist auch möglich und hat mit Dezentralisierung nichts mehr zu tun. Die gleichen Überlegungen lassen sich auch auf tokensierte Einlagen übertragen, mit dem Hinweis, dass dadurch, dass die Emittenten von tokenisierten Einlagen die Geschäftsbanken selbst sind, die Validatorstruktur und Entscheidungshoheit bei den einzelnen Geschäftsbanken liegen würde. Stablecoins sind grundsätzlich auf Blockchain basiert, also auch Euro Stablecoins, die an den Preis des Euros gekoppelt sind. Die EZB gibt an, dass “gerade verschiedene Ansätze und Technologien zur Bereitstellung eines digitalen Euro, darunter auch zentralisierte und dezentralisierte Lösungen wie die Distributed Ledger Technology (getestet werden)” (EZB, 2022) und eine endgültige Entscheidung noch nicht feststünde. Die von der EZB identifizierten, eher konservativ gelagerten, Anwendungsbereiche des digitalen Euros (konkret: Online Handel, Handel, Staatszahlungen und peer-to-peer Zahlungen) sprechen eher nicht dafür, dass der digitale Euro der EZB Blockchain basiert sein wird.

Kryptowährungen unterscheiden sich in mehr Aspekten als nur in der Benutzung von Blockchain als Infrastruktur von der Euro CBDC der EZB und Stablecoins. Neben der Nutzung von Blockchain, dürfte der größte Unterschied sein, dass man bei Krypto die direkte Besitzerin des Token ist während ein digitaler Euro in allen oben genannten Formen stets eine Verbindlichkeit des Emittenten wäre (z.B. der EZB, des Stablecoin-Emittentens oder der Geschäftsbank). Während ein Kryptotoken auf einer verteilten Datenbank liegt, die von peer-to-peer übertragen werden kann, wird der digitale Euro der EZB wahrscheinlich ein Bucheintrag in einer (verteilten) Datenbank, der eine Verbindlichkeit des Emittenten darstellt, die in Form eines Tokens oder einer Münze an Dritte übertragen werden kann. Das Monitoring würde ebenfalls nicht wie bei Kryptowährungen üblich von einem dezentralisierten Protokoll ausgehen, sondern von Zentral- und Geschäftsbanken durchgeführt werden. Ein weiterer Unterschied liegt in der Transaktionsabwicklung von CBDCs. Die Transaktionsabwicklung geschieht im Moment des Empfangens der CBDC. Kryptowährungen werden hingegen instantan abgewickelt, man spricht hier auch von atomic settlement. Beim Versenden von Stablecoins und E-Geld-Token werden diese zu privaten Verbindlichkeiten und tokenisierte Einlagen werden weiterhin in Zentralbankreserven abgerechnet. 

Welcher ist “der beste” digitale Euro?

Bei der Vielzahl an Möglichkeiten, den Euro digital zu machen, gibt es viele Ansätze. Dabei stellt man sich die Frage: Reicht nicht ein digitaler Euro?

Die Kurzantwort lautet: nein. Die Interessenlagen der Emittenten, Nutzer und die Einsatzmöglichkeiten divergieren dafür zu stark, als dass es eine einzige Lösung gäbe. Das Geld, welches im Geldkreislauf zwischen Geschäftsbanken und Zentralbanken zirkuliert, ist beispielsweise für Teilnehmer des freien Marktes gar nicht zugänglich und bedarf einem anderen digitalen Euro als der für den freien Markt.

CBDCs können, je nach Design, Zahlungseffizienzen (z.B., bei Cross-Border Zahlungen) durch Transaktionskostensenkung, schnellere Abwicklung, Zahlungsverarbeitung ohne Wochenenden, Feiertage und Bürozeiten ermöglichen. Bei besonders geringem Vertrauen in die Regierung oder hoher Korruption, werden CBDCs auch als Mittel genutzt, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, direktes Zentralbankgeld zu halten. Hierbei misst sich die Stärke des Arguments an der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Staates und des Geldsystems. Inflationiert eine Währung beispielsweise stark, so verliert auch eine CBDC als “sicheres” Geld seine Kredibilität. Die Limitationen von CBDCs reichen von einem noch nicht genau definierten Haltelimit (nur ein bestimmter Geldbetrag kann in CBDC gehalten werden) bis hin zur starken Ablehnung von Kryptoverfechtern, die in CBDCs das Werkzeug eines Überwachungsstaates sehen. Es stellt sich außerdem die Frage, welchen Mehrwert eine CBDC aus Benutzersicht gegenüber anderen Zahlungsformen hat und somit, in welchem Maße eine CBDC überhaupt benutzt werden würde. Die ernüchternden Bilanzen aus den Bahamas nach zwei Jahren seit Herausgabe des Sand Dollars (CBDC), zeigt, dass nur eine geringe einstellige Prozentzahl der Bürger den Sand Dollar überhaupt nutzt. Das lässt auch über den Anklang diskutieren, den ein Euro CBDC finden würde (oder eben nicht).

Stablecoins bieten Schutz vor der typischen Volatilität im Kryptomarkt und werden oft als Brücke zwischen Krypto und traditionellen Finanzmärkten verstanden. Sie decken außerdem die Möglichkeit der hohen Fraktionalisierung von Geld ab und eignen sich für Geschäftsmodelle, die programmierbare und automatisierte Zahlungen zwischen Nutzern und Maschinen nutzen. Trader parken noch heute ihre Kryptowerte in Stablecoins, um diese nicht direkt in Fiat umzuwandeln. Stablecoins können jedoch auch die geldpolitische Souveränität einer Währung gefährden. Da Stablecoins an den Wert einer nationalen Währung gekoppelt sind, könnten sie verwendet werden, um die Kontrolle der Zentralbank über die Geldmenge zu beschneiden. Dies könnte zu einem Verlust der Kontrolle über die zentralisiert verwaltete Geldpolitik und letztlich zu einem Verlust der Souveränität über die nationale Währung führen. Das Risiko eines Stablecoin Bank-runs könnte die Stabilität des Euros ebenfalls erheblich beeinträchtigen, dadurch dass Fiat-backed Stablecoins in der Regel mit nationaler Währung gedeckt sind. 

Eine offene Frage sowohl bei Stablecoins als auch bei CBDCs ist die Interoperabilität. Bei Stablecoins können Tokens gewrapped werden, um von Chain zu Chain zu wechseln. Bei CBDCs gibt es weltweit weder einen gemeinsamen Nenner in der verwendeten Technologie, noch beim Anbieter dieser, was grenzüberschreitende Zahlungen zunächst verkompliziert, bevor sie Zahlungsflüsse perspektivisch vereinfachen wird.

Fazit

Unser aktuelles Geld ist mit anhaltender Digitalisierung der Welt um uns herum an seine Wachstumsgrenzen gekommen. Um einen Euro mit tatsächlichem Mehrwert von öffentlicher und privater Seite herauszugeben, ist die Digitalisierung von Geld selbst ein notwendiger Schritt.

Einen einzigen digitalen Euro, der als “one-size” Lösung funktioniert, kann es nicht geben, was unweigerlich zur Zersplitterung von Nutzung verschiedenen (digitalen) Euros führen wird, ähnlich wie es heute ebenfalls nicht eine einzige Bezahlart gibt. Der Erfolg und die Nutzung von einem digitalen Euro hängt losgelöst von seiner Form, unter anderem vom klaren Mehrwert der Nutzung, der Aufgeklärtheit der Bürger über das Thema, dem Vertrauen in die emittierende Instanz und die Handhabung von Datensicherheit der Nutzerschaft ab. Die Kalibrierung eines digitalen Euros bei den Punkten Anonymität, Nutzerfreundlichkeit und das persönliche Nutzungsbedürfnis nach Abwägen klarer Vorteile sind entscheidend.

Für private Geldinstitute in der EU ist die Herausgabe eines Euro Stablecoins eine regulatorische und wirtschaftlich hohe Hürde. Das Zinsumfeld ist unsicher und beeinflusst das Geschäft direkt. Hierdurch entstehen konstrukte wie der Euro Stablecoin von Circle (EUROC), der in den US ausgeben aber Euro denominiert ist und somit von Nutzern in der EU nicht genutzt werden kann, zumindest solange bis EUROC nicht unter MiCA reguliert wird und den europäischen Auflagen entspricht.